Sprachblog

Berliner CDU gegen "Anglizismen" und englischen Jargon im Deutschen

Die Berliner CDU macht sich Sorgen um die deutsche Sprache. Sie müsse “als Kulturgut gestärkt und geschützt werden”. Der Berliner Senat und die Bundesregierung werden aufgefordert, “einer Verdrängung von Teilen des deutschen Wortschatzes durch Anglizismen und Jargons entgegenzuwirken”. Deutsch gehöre “zu den großen Kultursprachen der Welt und sei die meistgesprochene Sprache in der Europäischen Union”. Eine alte, aber stets aufs Neue aktuelle Geschichte. Auf solche pauschal vorgetragenen Forderungen folgt meist schnell, den Hintergrundapplaus übertönend, Gegenpolemik nach dem Motto: „Sollen wir jetzt auch wieder 'Gesichtserker' sagen?“ Dann wird meist zur Tagesordnung übergegangen – diese hat dann weniger mit englischen Sprachtransfers nach Deutschland als mit deutschen Geldtransfers nach Liechtenstein und finnischen Arbeitsplatzverlagerungen nach Rumänien zu tun. Indessen sollte doch angemerkt werden, dass die Berliner CDU zwei Dinge verquickt, die beide ihre individuelle Bedeutung, aber wenig miteinander gemein haben. Auf der einen Seite stellt sich die Frage, welche Spracheinflüsse aus dem Englischen sinnvoll oder zumindest tolerierbar und welche ärgerlich oder lachhaft sind. Diese Frage muss individuell, d. h. von einzelnen Sprechern oder Sprechergruppen in Bezug auf einzelne Wörter entschieden werden. Die Frage nach dem Rang des Deutschen hat damit - genau genommen - nichts zu tun: Auch Sprecher kleiner Sprachen stehen vor der Wahl, Ausdrücke der derzeitigen Weltsprache Nr. 1 zu übernehmen oder nicht. Zugleich hängt die Frage, ob ein schwedischer Schüler oder eine südkoreanische Studentin Deutsch lernen möchte, nicht von der Zahl englischer Lehn- und Modewörter in unserer „großen Kultursprache“ ab. Gleiches gilt für die Zahl der in den nächsten Jahrzehnten zu erwartenden deutschen Nobelpreisträger für Literatur.


 

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