Der Reformmotor darf nicht stocken - Politische Metaphern



Natürlich darf der Reformmotor nicht stocken, stottern, ruckeln, untertourig laufen oder – man wagt es kaum zu schreiben – stehenbleiben. Automobil-Metaphern sind beliebt in einem Land der Autofahrer und der Autoindustrie. Selbst wer lieber mit Bus und Bahn fährt, will, dass die Motoren ihre Arbeit verrichten.
Schon gar nicht darf ein Motor stocken, wenn er so etwas Grundgutes wie Reformen antreibt. Für Reformen hat hierzulande jemand schon vor Jahrhunderten bewusst die Beschädigung einer Kirchentür in Kauf genommen – und wurde so zu einem der historisch einflussreichsten Deutschen überhaupt. Reformen wollten der gute Gorbi und ebenso die wackeren Montagsdemonstranten in Leipzig.
Schade, dass man Metaphern nicht patentieren lassen kann. Der Reformmotor-Kreator müsste nicht bei Günther Jauch vorstellig werden, er wäre auch so Millionärs-Kandidat. All die ideenarmen Politiker und Kommentatoren, die Lizenzgebühren zahlen müssten… Das Bild vom Reformmotor ist gut zu merken, leicht vermittelbar, passt noch in den kürzesten „News-Soundbite“ rein. 
Und das Beste wäre: Der Erfinder könnte gleich nochmal so viel kassieren, wenn er auch den politischen Gegner beliefern würde. Denn natürlich ist die Metapher Propaganda, oder, um es mit einem weniger belasteten Begriff auszudrücken, Werbung. Werbung für eine Politik, die – wie beinahe jede wirksame politische Strategie – neben Gewinnern auch Verlierer produziert.
Jene Gegner, die dem Reformmotorwagen so gerne Zucker in den Tank füllen möchten, sind auch als „Besitzstandswahrer“ oder „Bremser“ bekannt. Vor 150 Jahren hießen ihre Vorläufer noch „Lumpenproletarier“ oder „vaterlandslose Gesellen“ – die Zeiten haben sich geändert, die Begriffe auch, nicht jedoch der Umstand, dass es Linke und Rechte (wahlweise: Bürgerliche, Konservative) gibt. Und ebenso eine linke und rechte politische Metaphorik.
Aber hat die Linke eine Metapher vorzuweisen, die ähnlich griffig ist wie das Reformmotor-Bild?
„Sozialabbau“ ist keine Metapher und schon gar nicht griffig. Solch ein Begriff mag manches angemessen beschreiben, was in den letzten Jahren betrieben wurde. Aber er macht nichts her, löst kaum Gefühle aus, dabei gäbe es sachlich Grund dazu. „Umverteilungsorgie von unten nach oben“ ist schon bilderreicher, aber auch umständlicher und hat sich kaum durchgesetzt. Das Sprüchlein von der Mauer, die nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen unten usw. verläuft, wurde schon Anfang der 1990er Jahre totgeklopft. Fast scheint es, als sei der Metaphernmotor der Linken ins Stocken geraten.

dm  

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